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Darf man berühmte Gedichte zu einer „Best of“-Liste zusammenfassen?
Darf man berühmte Gedichte und Verse nach einem „Best of Ranking“ bewerten? Mitnichten. Dennoch möchten wir an dieser Stelle auf den Alfred Kröner Verlag verweisen, der auf Basis von 200 Gedichtsammlungen (von 1850 bis 2004) die am häufigsten publizierten – und daraus schlussfolgernd – die berühmtesten deutsche Gedichte in einem Buch zusammengefasst. Darin liegt das „Abendlied“ von Matthias Claudius auf Platz 1. Es wurde in 154 Jahren insgesamt 84 mal veröffentlicht. Es folgt Goethes „Erlkönig“ mit 73 Abdrucken auf Platz 2. Zu beiden Gedichten finden Sie die ersten drei Strophen in der folgenden Liste.
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Berühmte Gedichte und Verse | Autor | Jahr | Berühmte Gedichte (Auszug) |
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Abendlied („Der Mond ist aufgegangen“) |
Matthias Claudius (1740-1815) | 1778-1779 | Der Mond ist aufgegangen Die goldnen Sternlein prangen Am Himmel hell und klar: Der Wald steht schwarz und schweiget, Und aus den Wiesen steiget Der weiße Nebel wunderbar. Wie ist die Welt so stille, Seht ihr den Mond dort stehen? |
Erlkönig | Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) | 1782 | Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind; Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm. Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? „Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, |
Ode an die Freude (Text der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven) |
Friedrich Schiller (1759-1805) | 1786 | Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum! Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt; Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt. Wem der große Wurf gelungen, Freude trinken alle Wesen |
An den Mond (aus Goethes Schriften, Achter Band) |
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) | 1789 | Füllest wieder Busch und Thal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz Breitest über mein Gefild Jeden Nachklang fühlt mein Herz Fließe, fließe, lieber Fluß! Ich besaß es doch einmal, |
Der spielende Knabe | Friedrich Schiller (1759-1805) | 1795 | Spiele, Kind, in der Mutter Schoß! Auf der heiligen Insel Findet der trübe Gram, findet die Sorge dich nicht, Liebend halten die Arme der Mutter dich über dem Abgrund, Und in das flutende Grab lächelst du schuldlos hinab. Spiele, liebliche Unschuld! Noch ist Arkadien um dich, Und die freie Natur folgt nur dem fröhlichen Trieb, Noch erschafft sich die üppige Kraft erdichtete Schranken, Und dem willigen Mut fehlt noch die Pflicht und der Zweck. Spiele, bald wird die Arbeit kommen, die hagre, die ernste, Und der gebietenden Pflicht mangeln die Lust und der Mut. |
Das Wiedersehen | Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) | 1797 | Der Weltraum fernt mich weit von dir, So fernt mich nicht die Zeit. Wer überlebt das siebzigste Schon hat, ist nah bei dir. Lang sah ich, Meta, schon dein Grab, Nicht mir! Das ist mein Schatten nur, Dann kenn‘ ich auch die höhre Welt, Dann… Aber ach ich weiß ja nicht, Mit wonnevollen Hoffnungen |
Der Handschuh | Friedrich Schiller (1759-1805) | 18.6.1797 | Vor seinem Löwengarten, Das Kampfspiel zu erwarten, Saß König Franz, Und um ihn die Großen der Krone, Und rings auf hohem Balkone Die Damen in schönem Kranz. Und wie er winkt mit dem Finger, Und der König winkt wieder, Und der König winkt wieder; Da fällt von des Altans Rand Und zu Ritter Delorges spottender Weis Und der Ritter in schnellem Lauf Und mit Erstaunen und mit Grauen |
Das Lied von der Glocke | Friedrich Schiller (1759-1805) | 1799 | 1. Strophe von insgesamt 10 Festgemauert in der Erden Steht die Form aus Lehm gebrannt. Heute muß die Glocke werden, frisch, Gesellen, seid zur Hand! Von der Stirne heiß |
Hälfte des Lebens | Friedrich Hölderlin (1770-1843) | 1804 | Mit gelben Birnen hänget Und voll mit wilden Rosen Das Land in den See, Ihr holden Schwäne, Und trunken von Küssen Tunkt ihr das Haupt Ins heilignüchterne Wasser. Weh mir, wo nehm’ ich, wenn |
Mephistopheles (aus „Faust 1. Eine Tragödie“) |
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) | 1808 | Ich bin der Geist der stets verneint! Und das mit Recht, denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. Drum besser wär‘s, dass nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz: das Böse nennt, mein eigentliches Element. (…) Auszug |
Abreise | Ludwig Uhland (1787-1862) | 1811 | So hab ich nun die Stadt verlassen, wo ich gelebet lange Zeit. Ich ziehe rüstig meiner Straßen, es gibt mir niemand das Geleit. Man hat mir nicht den Rock zerrissen Auch keinem hat‘s den Schlaf vertrieben, |
Lebensgruß (aus „Junge Leiden“ aus dem „Buch der Lieder“) |
Heinrich Heine (1797-1856) | 1821 | XIX
Eine große Landstraß ist unsere Erd, Man fährt sich vorüber, man nicket, man grüßt Kaum trafen wir uns auf derselben Station, |
Ein Jüngling liebt ein Mädchen (39. Gedicht im „Lyrischen Intermezzo“ aus dem „Buch der Lieder“) |
Heinrich Heine (1797-1856) | 1823 | Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Die hat einen andern erwählt; Der andre liebt eine andre, Und hat sich mit dieser vermählt. Das Mädchen heiratet aus Ärger Es ist eine alte Geschichte, |
Die Loreley | Heinrich Heine (1797-1856) | 1824 | Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin; ein Märchen aus alten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn. Die Luft ist kühl und es dunkelt, Die schönste Jungfrau sitzet Sie kämmt es mit goldenem Kamme Den Schiffer im kleinen Schiffe Ich glaube, die Wellen verschlingen |
Wer zum ersten Male liebt (aus „Die Heimkehr“ aus dem „Buch der Lieder“) |
Heinrich Heine (1797-1856) | 1827 | LXIII
Wer zum ersten Male liebt, Ich, ein solcher Narr, |
Er ist’s (aus „Maler Nolten. Novelle in zwei Theilen“) |
Eduard Mörike (1804-1875) | 1829 | Frühling läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist’s! Dich hab‘ ich vernommen! |
Mondnacht | Joseph von Eichendorff (1788-1857) | 1837 | Es war, als hätt der Himmel die Erde still geküßt, daß sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müßt. Die Luft ging durch die Felder, Und meine Seele spannte |
Ein Weib (aus „Neue Gedichte: Romanzen“) |
Heinrich Heine (1797-1856) | 1840-44 | Sie hatten sich beide so herzlich lieb, Spitzbübin war sie, er war ein Dieb. Wenn er Schelmenstreiche machte, sie warf sich aufs Bett und lachte. Der Tag verging in Freud und Lust, Er ließ ihr sagen: O komm zu mir, Um sechse des Morgens ward er gehenkt, |
Deutsche Nationalhymne (3. Strophe des „Deutschlandliedes“) |
Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) Melodie von Joseph Haydn (1732-1809) |
1841 | Einigkeit und Recht und Freiheit, für das deutsche Vaterland! Danach lasst uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand! Einigkeit und Recht und Freiheit, |
Sie erlischt |
Heinrich Heine (1797-1856) |
1851 | Der Vorhang fällt, das Stück ist aus, Und Herrn und Damen gehn nach Haus. Ob ihnen auch das Stück gefallen? Ich glaub, ich hörte Beifall schallen. Ein hochverehrtes Publikum Beklatschte dankbar seinen Dichter. Jetzt aber ist das Haus so stumm, Und sind verschwunden Lust und Lichter. Doch horch! ein schollernd schnöder Klang |
Die Stadt | Theodor Storm (1817-1888) | 1852 | Am grauen Strand, am grauen Meer Und seitab liegt die Stadt; Der Nebel drückt die Dächer schwer, Und durch die Stille braust das Meer Eintönig um die Stadt. Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai Doch hängt mein ganzes Herz an dir, |
Frau Sorge | Heinrich Heine (1797-1856) | 1851 | In meines Glückes Sonnenglanz, Da gaukelte fröhlich der Mückentanz. Die lieben Freunde liebten mich Und teilten mit mir brüderlich Wohl meinen besten Braten Und meinen letzten Dukaten. Das Glück ist fort, der Beutel leer, An meinem Bett in der Winternacht Mir träumt manchmal, gekommen sei |
Ballade des äußeren Lebens | Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) | 1894 | Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen, die von nichts wissen, wachsen auf und sterben, Und alle Menschen gehen ihre Wege. Und süße Früchte werden aus den herben Und immer weht der Wind, und immer wieder |
Kennst du das auch? | Hermann Hesse (1877-1962) | 1901 | Kennst du das auch, daß manchesmal Inmitten einer lauten Lust, Bei einem Fest, in einem frohen Saal, Du plötzlich schweigen und hinweggehn mußt? Dann legst du dich aufs Lager ohne Schlaf |
Herbsttag | Rainer Maria Rilke (1875-1926) | 21.9.1902 | Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren laß die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. |
Der Panther (im Jardin des Plantes, Paris) |
Rainer Maria Rilke (1875-1926) | 6.11.1902 | Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille |
Das ästhetische Wiesel | Christian Morgenstern (1871-1914) | 1905 | Ein Wiesel saß auf einem Kiesel inmitten Bachgeriesel. Wißt ihr Das Mondkalb Das raffinierte Tier |
Im Nebel | Hermann Hesse (1877-1962) | 1905 |
Seltsam, im Nebel zu wandern! Voll von Freunden war mir die Welt, Wahrlich, keiner ist weise, Seltsam, im Nebel zu wandern! |
Das Karussell (im Jardin du Luxembourg, Paris) |
Rainer Maria Rilke (1875-1926) | Juni 1906 | Mit einem Dach und seinem Schatten dreht sich eine kleine Weile der Bestand von bunten Pferden, alle aus dem Land, das lange zögert, eh es untergeht. Zwar manche sind an Wagen angespannt, doch alle haben Mut in ihren Mienen; ein böser roter Löwe geht mit ihnen und dann und wann ein weißer Elefant. Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald, Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge Und dann und wann ein weißer Elefant. Und auf den Pferden kommen sie vorüber, Und dann und wann ein weißer Elefant. Und das geht hin und eilt sich, dass es endet, |
Die Ameisen | Joachim Ringelnatz (1883-1934) | 1912 | In Hamburg lebten zwei Ameisen, die wollten nach Australien reisen. Bei Altona auf der Chaussee, da taten ihnen die Beine weh, und da verzichteten sie weise, dann auf den letzten Teil der Reise. |
Sachliche Romanze | Erich Kästner (1899-1974) | 1928 | Als sie einander acht Jahre kannten, (und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden. Wie andern Leuten ein Stock oder Hut. Sie waren traurig, betrugen sich heiter, Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken. Sie gingen ins kleinste Café am Ort |
Die unverstandene Frau | Erich Kästner (1899-1974) | 1930 | Er band, vorm Spiegel stehend, die Krawatte Da sagte sie (und blickte an die Wand): „Soll ich den Traum erzählen, den ich hatte? Ich hielt im Traum ein Messer in der Hand. Ich hob es hoch, mich in den Arm zu stechen, Das Blut floss lautlos in die Teppichranken. Du bücktest dich. Doch es war nicht zu finden. Mir war so kalt, als sollte ich erfrieren. Dann nahmst du Hut und Mantel, um zu gehen, Er band, vorm Spiegel stehend, die Krawatte. |
Stufen (hieß urspr. „Transzendieren!“) | Hermann Hesse (1877-1962) | 4.5.1941 |
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend, Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde |
Was es ist | Erich Fried (1921-1988) |
1983 |
Es ist Unsinn Es ist Unglück Es ist lächerlich |
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Quellen zur Liste „Berühmte Gedichte“:
Alfred Kroener Verlag, Gedicht-Bände mit berühmte Gedichte, Lyrik und Verse, Heine-Gedichte, Rilke-Gedichtbände etc.